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Charkiw im Osten der Ukraine gehört zu den Städten, die aktuell am meisten unter Beschuss stehen. Am Dienstag wurde das Haus des dortigen römisch-katholischen Bischofs Pawlo Honczaruk von einem Bombenprojektil getroffen. Es riss ein Loch in das Dach; niemand wurde verletzt.

 

Küche im Bischofshaus versorgt Menschen in den U-Bahn-Schächten

„Nun haben wir also auch noch so ein ,Geschenk’ erhalten“, erklärt der Bischof in einem kurzen Videoclip, den er dem weltweiten päpstlichen Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN) übermittelt hat.

Die Arbeit im Haus geht unvermindert weiter: Frauen bereiten in der Küche warme Mahlzeiten zu, diese werden in zwei naheliegende U-Bahn-Stationen gebracht, in denen sich hunderte Menschen aufhalten.

Bischof Pavlo Honczaruk vor dem beschädigten Dach des Bischofshauses in Charkiw © Kirche in Not

Katholischer und orthodoxer Bischof besuchen Verletzte

Im einem Schutzkeller hat Bischof Honczaruk nach Mitteilung der Diözese Charkiw-Saporischschja mit etwa 40 Personen Schutz vor den zunehmenden Angriffen gefunden; auch Bischof Mytrofan von der orthodoxen Kirche der Ukraine ist dort untergekommen. Die beiden Bischöfe besuchen Verletzte im Krankenhaus und packen bei der Verteilung von Lebensmitteln mit an. Der Krieg hat auch diese ökumenische Zusammenarbeit möglich gemacht.

Bischof Honczaruk und der orthodoxe Bischof Mytrofan besuchen einen Verletzten. © Kirche in Not
Bischof Honczaruk berichtet von großen Schäden und zahlreichen Toten in anderen Stadtvierteln Charkiws. Die Bilder vom Bombeneinschlag auf dem zentralen Freiheitsplatz in Charkiw gingen um die Welt. Dort wurde ein Verwaltungsgebäude zerstört; es sollen nach ukrainischen Angaben mindestens 20 Personen getötet worden sein.

 

Auch Wohngebäude schwer getroffen

Das russische Militär hat mehrfach betont, in der Ukraine würden keine Zivilobjekte angegriffen. Doch ein zweiter an ACN übermittelten Videoclip zeigt schwer beschädigte Wohnblöcke, die laut dem Bischof gegenüber einer zerstörten Fabrik liegen. „Das waren Wohnungen. Alle Fenster sind zerborsten. Viele Menschen wurden getötet. Auch die Oberleitungen einer Buslinie sind zerstört“, stellt er betroffen fest.

„Hier ist überall Blut“

Der Clip zeigt mehrere ausgebrannte Privatautos; es sind Explosionstrichter zu sehen. Nur ein einzelner älterer Mann, den der Bischof zur Vorsicht mahnt, schleppt sich auf der Straße entlang. Es ist auch zu sehen, wie Bischof Honczaruk in einen Pkw blickt: „Hier wurde geschossen, da ist überall Blut.“

Bischof Pavlo Honczaruk mit Menschen in einem Luftschutzkeller.

Nothilfe auch für die Ostukraine

Die Lage in Charkiw und andernorts spitzt sich derweil weiter zu. „Kirche in Not“ hat nach Kriegsausbruch ein Nothilfe-Paket in Höhe von einer Million Euro auf den Weg gebracht. Das Geld kommt Priestern und Ordensleuten zugute, die im ganzen Land in den Pfarreien, bei den Flüchtlingen, in Waisenhäusern und Altenheimen arbeiten. Darüber hinaus leistet das Hilfswerk Nothilfe für die vier griechisch-katholischen Exarchate und die beiden lateinischen Diözesen in der Ostukraine, die Charkiw, Donezk, Saporischschja, Odessa und die Krim abdecken.

Die Projektpartner von „Kirche in Not“ in der Ukraine bitten angesichts der Kriegslage neben der direkten Hilfe auch um das Gebet. Sie danken für die erfahrbare Solidarität weltweit. „Kirche in Not“ hat ein Gebet um Frieden in der Ukraine veröffentlicht. Download- und Bestellmöglichkeit unter: www.kirche-in-not.de/shop.

Ihre Spende für die Ukraine

Unterstützen Sie den Einsatz der Kirche im Krieg in der Ukraine mit Ihrer Spende – online oder auf folgendes Konto:

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Verwendungszweck: Nothilfe Ukraine

Beten Sie für die Menschen in der Ukraine

Bitte schließen Sie die Menschen in der Ukraine in Ihr Gebet ein und beten Sie um Frieden in der Ukraine. Stellen Sie in unserer virtuellen Kapelle eine Kerze auf.

Auch Papst Franziskus beobachtet die Entwicklungen an der Ostgrenze der Ukraine und rief zum Gebet auf: „Ich appelliere eindringlich an alle Menschen guten Willens, ihr Gebet zum Allmächtigen Gott zu erheben, damit jede politische Aktion und Initiative im Dienst der menschlichen Geschwisterlichkeit stehe, mehr als der Einzelinteressen. Wer seine eigenen Ziele zum Schaden anderer verfolgt, verachtet seine eigene Berufung als Mensch, denn wir wurden alle als Geschwister geschaffen.“

Besonders werden wir in unseren Mittagsgebeten der Menschen in der Ukraine in den Gebeten gedenken. Schließen Sie sich bitte an, damit der Glaube lebt und unser Gebet stärker sein möge als Waffen.

Bischof Honczaruk zeigt den Einschlag eines Projektils in das Bischofshaus von Charkiw.

Bischof Honczaruk dokumentiert den Beschuss auf eine Fabrik und daneben befindliche Wohnhäuser.

Weitere Informationen

Gezielte Angriffe auf junge Menschen, wahllose Morde und sexuelle Gewalt, einschließlich der Vergewaltigung von Ordensfrauen, ereignen sich laut einer kirchennahen Quelle aktuell in der umkämpften Region Tigray im Norden Äthiopiens. Der Gesprächspartner, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben muss, machte gegenüber KIRCHE IN NOT unter anderem Militärs aus dem Nachbarland Eritrea für die Gräueltaten verantwortlich.

 

„Das ist nicht nur ein Kampf zwischen Militäreinheiten; sie töten alle. Das ist eindeutig ein Völkermord an den Menschen von Tigray.“ Die anonyme Quelle bestätigte damit die Einschätzung des Oberhaupts der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche, Patriarch Mathias. Dieser hatte Anfang Mai von einem Völkermord in der Region Tigray gesprochen.

 

Bürgerkrieg dauert seit November an

 

Die Kämpfe im Norden Äthiopiens brachen im November vergangenen Jahres aus. Premierminister Abiy Ahmed warf der „Tigray’s People Liberation Front“ (TPLF) die Abhaltung illegitimer Wahlen vor und entsandte Truppen in die Region. In dem ausbrechenden Bürgerkrieg kamen den Regierungstruppen auch Einheiten aus dem Nachbarland Eritrea zu Hilfe.

 

Die anonyme Quelle berichtete, dass die Truppen auch Jugendliche aus der Zivilbevölkerung gezielt angriffen. Zahlreiche Bewohner der Region seien in den benachbarten Sudan geflüchtet. Der Ansprechpartner beschrieb auch, dass zahlreiche Frauen und Mädchen durch eritreische Soldaten missbraucht worden seien. Unter den Opfern befänden sich auch Ordensfrauen. „Es ist eine Form des Missbrauchs, wie Sie ihn vielleicht noch nie gehört haben. Angehörige unseres Volkes, unsere Ordensschwestern wurden vergewaltigt. Einige von ihnen mussten wir ins Krankenhaus bringen. Mehrere Anlaufstellen, wo wir Hilfe bekommen könnten, haben die Soldaten geschlossen.“

Blick auf eine Kirche in der Region Tigray (Symbolbild). © Kirche in Not-Magdalena Wolnik
„Psychischer Schmerz und Panik“

Rund 90 Prozent der Bewohner der Region Tigray seien vertrieben worden, so der Ansprechpartner. „Dieser Krieg hat eine große humanitäre Krise ausgelöst, die sich in einer überwältigenden Zahl von zivilen Opfern, der Vertreibung von Millionen Menschen, der Zerstörung unserer wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen, psychischen Schmerzen und Panik ausdrückt.“

 

Die Region brauche dringend internationale Unterstützung, hob die anonyme Quelle hervor. „Die Kirche ist überall – sie öffnet ihre Hand. Ich erinnere mich gut an die Hilfe von KIRCHE IN NOT. Wir sind seit langem Partner. Die aktuelle Krise in Tigray ist beispiellos im Vergleich mit allen anderen humanitären Krisen, an die wir uns je erinnern können.“

 

KIRCHE IN NOT leistet in der Region Tigray Nothilfen für Priester und Ordensleute. Seit 2019 hat KIRCHE IN NOT rund 100 Projekte in Äthiopien unterstützt, darunter den Bau von Kapellen und Klöstern, die Ausbildung von Katecheten oder die Anschaffung von Fahrzeugen für Seelsorger und Gemeinden. Eine wichtige Unterstützung für die Priester sind auch Mess-Stipendien, da die Geistlichen über kein reguläres Einkommen verfügen.

Unterstützen Sie die Arbeit und die Nothilfe der Kirche während des Bürgerkriegs in Äthiopien! Spenden Sie entweder online oder auf folgendes Konto:

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Verwendungszweck: Äthiopien

Weitere Informationen:

Die katholische Kirche in Äthiopien – Radiointerview aus dem Jahr 2012

Nach dem Ausbruch des Vulkans Nyiragongo und zahlreicher Nachbeben herrscht Chaos im Osten der Demokratischen Republik Kongo. „Die Bevölkerung ist in Gefahr und Not. Wir rechnen mit dem Schlimmsten“, erklärte Schwester Floride Bugagara gegenüber „Kirche in Not“.

 

Schwester Floride ist eine langjährige Projektpartnerin des weltweiten päpstlichen Hilfswerks und leitet die Ordensgemeinschaft der „Töchter der Auferstehung“, die in der Region am Kiwu-See ihren Sitz hat.

Lavaherde im Vulkan Nyiragongo. © Nina R
Mit Blick auf die Massenflucht aus der Zwei-Millionen-Stadt Goma sagte die Ordensfrau: „Ich habe Angst, dass es zu einer humanitären Katastrophe kommt. Viele Menschen kampieren entlang der Straßen oder in den Bergen. Auch an Lebensmitteln und Wasser fehlt es. Außerdem fürchte ich, dass wegen der schlechten hygienischen Umstände Krankheiten ausbrechen können.“
Blick über die Stadt Goma zum Vulkan Nyiragongo. © MONUSCO Photos
Zum Terror in der Region kommt jetzt noch die Naturkatastrophe

 

Medienberichten zufolge kehren aktuell die ersten geflüchteten Bewohner wieder nach Goma zurück. Als Grund geben sie die elenden Bedingungen auf der Flucht und in den Notunterkünften an. Die Gefahr ist derweil noch nicht gebannt: Staatliche Stellen rechnen damit, dass es nach dem Vulkanausbruch vom Pfingstsamstag zu weiteren Eruptionen und Beben kommen kann. Der Nyiragongo gilt als einer der aktivsten Vulkane weltweit.

 

„Zu all den Massakern in unserer Provinz Nord-Kivu kommt jetzt diese Naturkatastrophe“, erklärt Schwester Floride mit Blick auf den Terror, den Milizen seit Jahren in der Region verüben. In der aktuellen Notlage zählten die Christen in der Demokratischen Republik Kongo spirituell und materiell auf die Wohltäter von „Kirche in Not“. „Wir bitten die Wohltäter, das Hilfswerk weiterhin zu unterstützen, das sich der benachteiligten Menschen annimmt. Und wir bitten den Herrn, dass er sein Volk weiter beschützt und diese Katastrophe abwendet.“

Flüchtlingslager in der Stadt Goma (Symbolbild). © Kirche in Not
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Verwendungszweck: Demokratische Republik Kongo

„Die Karwoche hat für die Katholiken Indonesiens blutig begonnen. Das Selbstmordattentat am Palmsonntag unterstreicht: Nach den militärischen Niederlagen des ,Islamischen Staates’ (IS) in Syrien und im Irak frisst sich der dschihadistische Terror weiter vorwärts in den asiatischen Raum.

Südostasien ist ein häufig vergessener Brennpunkt der Christenverfolgung. Die Angst in der Region wächst.“

Dies erklärte der Geschäftsführer von „Kirche in Not“ Deutschland, Florian Ripka, nach dem gestrigen Anschlag auf die katholische Herz-Jesu-Kathedrale in Makassar, der Hauptstadt der indonesischen Provinz „Sulawesi Selatan“ (Südsulawesi).

Statue der Pieta in der Kathedrale von Jakarta. © Magdalena Wolnik/Kirche in Not

Mindestens 20 Verletzte

Angaben lokaler Kirchenvertreter zufolge versuchten zwei Personen kurz vor 10:30 Uhr über einen bewachten Seiteneingang in die Kirche einzudringen, als die Palmsonntagmesse gerade zu Ende gegangen war. Noch vor der Kathedrale lösten die mutmaßlichen Attentäter eine Explosion aus. Die beiden Personen starben, mindestens 20 Menschen wurden verletzt.

Die indonesische Polizei teilte wenige Stunden nach dem Anschlag mit, es gäbe eine Verbindung der beiden mutmaßlichen Täter zur indonesischen Terrorgruppe „Jamaah Ansharut Daulah“ (JAD). Diese Gruppe soll neben anderen hinter Bombenanschlägen auf drei Kirchen und das Polizeipräsidium in Indonesiens zweigrößter Stadt Surabaya im Mai 2018 und dem Anschlag auf die Kathedrale im südphilippinischen Jolo im Januar 2019 stehen. Die JAD gilt als regionaler Ableger der Terrormiliz „Islamischer Staat“.

Sorge um Zusammenhalt der Religionen

Die Indonesische Bischofskonferenz äußerte sich durch Bischof Yohanes Harun Yuwono aus Tanjunkarang zu dem Anschlag. Harun Yuwono ist Vorsitzender der Kommission für Ökumene und interreligiöse Angelegenheiten. „Der Selbstmordanschlag ist nicht nur eine tiefe Sorge für die Katholiken, sondern eine tiefe Sorge für ganz Indonesien“, schreibt der Bischof in einer Erklärung, die „Kirche in Not“ vorliegt. Die Bevölkerung solle wachsam bleiben und sich nicht zu Gewalt hinreißen lassen. Man habe Vertrauen in die Sicherheitsbehörden. „Wir hoffen, dass der Anschlag die Beziehungen zwischen den religiösen Gruppen, die wir aufgebaut haben, nicht beschädigen oder schwächen wird“, erklärte Harun Yuwono.

Nach Angaben des Berichts „Religionsfreiheit weltweit“ von „Kirche in Not“, der Ende April in einer Neuauflage erscheint, sind rund 80 Prozent der 262 Millionen Indonesier Muslime, rund 12 Prozent sind Christen. Indonesien ist das größte muslimische Land der Erde, dennoch ist der Islam nicht Staatsreligion. Das Zusammenleben der Religionen galt weitgehend als friedlich, viele Muslime folgen moderaten sunnitischen Strömungen.

Eine indonesische Ordensschwester betet vor einem Kreuz. © Magdalena Wolnik/Kirche in Not

Radikale islamische Strömungen breiten sich aus

Zunehmend breiten sich jedoch konservative und teilweise gewaltbereite islamistische Strömungen aus. Religiöse Minderheiten leiden unter verschiedenen Formen von Diskriminierung, zum Beispiel beim Bau von Gotteshäusern. International bekannt wurde der Fall des ehemaligen Gouverneurs der Hauptstadt Jakarta, des chinesisch-stämmigen Christen Basuki Tjahaja Purnama, genannt Ahok. Er wurde im Jahr 2017 wegen angebliches blasphemischer Äußerungen im Wahlkampf zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Auch gab es Anschläge auf christliche Kirchen und buddhistische Tempel.

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Verwendungszweck: Indonesien

Der Jesuit Johannes Kahn arbeitet seit Jahrzehnten als Seelsorger in der katholischen Diaspora Osteuropas und Zentralasiens. Zehn Jahre wirkte der gebürtige Kasache mit russlanddeutschen Wurzeln in Kirgisistan.
In der ehemaligen Sowjetrepublik machen nach Angaben des Berichts „Religionsfreiheit weltweit“ von „Kirche in Not“ Christen etwas mehr als fünf Prozent der Bevölkerung aus, die Mehrheit ist muslimisch. Beobachter sehen das Land nach den jüngsten Präsidentschaftswahlen im Januar und vorhergehenden politischen Unruhen auf dem Weg in die Autokratie.

 

Über seinen Werdegang im Sowjetsystem und die Situation der katholischen Minderheit hat Johannes Kahn mit Ivo Schürmann von „Kirche in Not“ Schweiz gesprochen.

 

Ivo Schürmann: Wie kam es, dass Sie in der Zeit der Sowjetunion zum Glauben kamen?

Pater Johannes Kahn: Mir wurde der Glaube von meiner Mutter und Großmutter vermittelt. Wir beteten viel in der Familie. Im Norden Kasachstans, unserem Zuhause, gab es keine Priester. Dies änderte sich, als meine Familie nach Zentralkasachstan zog. Dort gab es regelmäßige Gottesdienste, und ich vertiefte meinen Glauben. Der Wunsch reifte in mir, Priester zu werden. Nach dem obligatorischen zweijährigen Militärdienst in der Sowjetarmee konnte ich ins Priesterseminar eintreten.

Wie waren Ihre Erfahrungen als Christ im sowjetischen Militärdienst?

Im Militär war es als Gläubiger nicht immer ungefährlich, doch ich hatte Glück. Zudem war es mir als Russlanddeutschem nicht erlaubt, den Dienst an der Waffe zu leisten. Das war mir recht. Ich wurde beim Militär unter anderem als LKW-Fahrer eingesetzt, wo ich meistens bewusst während christlicher Feiertage zum Fahrdienst eingeteilt wurde.

Pater Johannes Kahn SJ mit Jugendlichen einer Gemeinde in Kirgisistan. © Kirche in Not

Wie ging es nach dem Militärdienst weiter?

Nach dem Militär trat ich ins einzige katholische Priesterseminar der ehemaligen Sowjetunion ein, das sich in Lettland befand. Die Seminaristen kamen aus allen Sowjetrepubliken. 1991 entschied ich mich, Jesuit zu werden. Der Orden schickte mich zum Studium nach Innsbruck. Nach Beendigung des Studiums ging es für mich zurück in den Osten. Zunächst nach Tadschikistan, dann weiter nach Sibirien, Kasachstan und letztlich für längere Zeit nach Kirgistan.

Warum Kirgistan?

Mein älterer Bruder Alexander, ebenfalls Jesuit, arbeitete in Kirgistan. Er suchte Priester, da es dort zu wenige gab. Die Katholiken leben über das ganze Land zerstreut als kleine Minderheit, es sind rund 1000 Familien. Sie bilden eine heterogene Gruppe, die sich auch aus koreanischen und russischen Katholiken zusammensetzt. Insgesamt gibt es acht Priester, sechs Ordensschwestern und einen Ordensbruder.

Gibt es in Kirgisistan Religionsfreiheit?

Auf dem Papier ja, in der Praxis nicht immer. Es gibt große administrative Hürden, um als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden. Die Muslime, die rund 80 Prozent der Bevölkerung ausmachen, und die russisch-orthodoxen Christen kennen keine Einschränkungen. Russland macht in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion noch immer seinen Einfluss geltend, wovon die russisch-orthodoxe Kirche stark profitiert.

Katholiken sind geduldet, aber uns werden viele Steine in den Weg gelegt. Die ausländischen Seelsorger müssen immer damit rechnen, ihre Aufenthaltserlaubnis zu verlieren. Auch die freie Ausübung der Gottesdienste ist eingeschränkt. In ganz Kirgisistan gibt es nur eine einzige katholische Kirche. Für weitere Kirchen erhielten wir keine Genehmigung. Die Anzeichen verdichten sich aber, dass wir die Erlaubnis zum Bau einer Kirche in der Hauptstadt Bischkek erhalten.

Teilnehmer einer kirchlichen Jugendfreizeit in Kirgisistan. © Kirche in Not

Warum die Vorbehalte gegenüber den Katholiken?

Die katholische Kirche hat in Russland und somit auch in Kirgisistan einen schweren Stand. Sie wird dort nicht geschätzt, da sie im sozialen Bereich aktiv ist. Das ärgert Russland und so übt der russische Staat auch via Kirgisistan Druck auf die katholische Kirche aus. Daneben gibt es auch in Kirgisistan radikale Muslime. Es fließt Geld aus der Türkei und Pakistan ins Land, um eine radikalere Auslegung des Islam zu fördern.

Wie schätzen Sie die politische Situation ein?

Anfang Januar 2021 gab es Präsidentenwahlen in Kirgisistan. Der neue Präsident Sadyr Dschaparow wurde mit 79 Prozent der Stimmen gewählt. Man weiß nicht, was von ihm zu erwarten ist. In der Vergangenheit galt Kirgistan als friedliches und gastfreundliches Land. Wir hoffen, dass sich daran nichts ändern wird.

Was tut „Kirche in Not” für die katholischen Gemeinden in Kirgisistan?

Das Hilfswerk unterstützt die Seelsorger mit Existenzhilfen. Dafür sind wir sehr dankbar. Es braucht immer wieder neue Autos, da die Priester große Distanzen zurücklegen müssen, um zu den Gläubigen zu gelangen. Im Winter wird es bis zu minus 40 Grad kalt, weshalb robuste Autos lebensnotwendig sind.

Unterstützen Sie die kleine katholische Minderheit und die Arbeit der Seelsorger in Kirgistan!  Spenden Sie entweder online unter: www.spendenhut.de oder auf folgendes Konto:

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Verwendungszweck: Kirgistan

Der Krieg in Syrien ist eine der größten humanitären Katastrophen der Gegenwart. Zehn Jahre dauert er jetzt an. Seitdem wurden laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mindestens 388 000 Menschen getötet. Mehr als 13 Millionen Menschen in Syrien sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die christliche Minderheit des Landes ist vom Aussterben bedroht. Das weltweite päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN) hat in den vergangenen zehn Jahren fast 1000 Einzelprojekte gestartet, um das Leid der Bevölkerung zu lindern.

 

Zusammenarbeit mit katholischen und orthodoxen Kirchen

Seit dem Jahr 2011 sind insgesamt 41,8 Millionen Euro nach Syrien geflossen, teilte die internationale Zentrale von „Kirche in Not“ in Königstein im Taunus mit. Die Hilfen wurden mit den lokalen katholischen und orthodoxen Kirchen abgestimmt. Aleppo, Homs, Damaskus sowie die Regionen um Marmarita und Tartus im Westen Syriens bildeten die lokalen Schwerpunkte. Der größte Teil der Hilfen von „Kirche in Not“, mehr als 33 Millionen Euro, floss in humanitäre Projekte wie zum Beispiel Lebensmittelpakete, Medikamentenhilfen, Kleiderausgaben, Hygienekits oder Zuschüsse für Heizung und Strom.

Kinder beten vor der Ikone „Unsere Liebe Frau von den Schmerzen, Trösterin der Syrer“. © Kirche in Not

„Ein Tropfen Milch“ für über 3000 Kinder

Eines der wichtigsten Projekte von „Kirche in Not“ in Syrien ist die Aktion „Ein Tropfen Milch“ in Aleppo. Mehr als 3000 Kinder von der Geburt bis zum Alter von zehn Jahren werden dabei mit lebensnotwendigem Milchpulver versorgt. Ähnliche Projekte gibt es auch in Tartus und Homs.

 

Aufgrund des Krieges sind nach wie vor ein Drittel der syrischen Schulen geschlossen. Hinzu kommt, dass viele Eltern ihre Kinder nicht in den Unterricht schicken können, weil ihnen die Mittel für Schulgebühren oder Transportkosten fehlen. Deshalb finanziert „Kirche in Not“ Stipendien für christliche Schüler und Studenten. Im Schuljahr 2019/20 konnten dadurch fast 7500 Schüler und Studenten aus Aleppo ihre Ausbildung fortsetzen; in Damaskus hat „Kirche in Not“ für das laufende Studienjahr 550 Stipendien bewilligt.

Kleiderausgabe der „Schwestern Jesu und Mariens“. © Kirche in Not

Spezielle Corona-Hilfen

 

Auch die Corona-Krise hat Syrien nicht verschont und die humanitäre Situation weiter verschärft. Deshalb hat „Kirche in Not“ Nothilfen für über 23 000 Familien bereitgestellt, die aufgrund der Einschränkungen und der fehlenden sozialen Absicherung ihre Lebensgrundlage verloren haben. Zu Weihnachten 2020 stifteten die Wohltäter von „Kirche in Not“ 25 000 Winterjacken für syrische Kinder. Diese wurden in Kooperation mit der Kongregation der „Schwestern Jesu und Mariens“ von lokalen Betrieben hergestellt.

 

Den Wiederaufbau kriegszerstörter Schulen, Gemeindezenten, Kirchen und Klöster hat „Kirche in Not“ bislang mit fast vier Millionen Euro unterstützt. Zu den größten Projekten gehörten die Instandsetzung der melkitischen griechisch-katholischen Kathedrale „Maria Königin des Friedens“ in Homs und der maronitischen St.-Elias-Kathedrale in Aleppo, die im Frühjahr 2020 eingeweiht werden konnte.

 

Außerdem hat „Kirche in Not“ die Renovierung von über 1000 Wohnhäusern finanziert. In Städten wie Homs, Aleppo oder der mehrheitlich von Christen bewohnten Ortschaft Maalula nordöstlich von Damaskus konnten zahlreiche Familien so in ihre Heimat zurückkehren.

Ausgabe von Milchpulver für Kleinkinder in Aleppo. © Kirche in Not

Geistliche Angebote für traumatisierte und trauernde Menschen

 

Neben der humanitären Hilfe war die Förderung der Seelsorge der zweite Schwerpunkt der Hilfe von „Kirche in Not“ in Syrien. Insgesamt 182 Projekte wurde in dem Bereich unterstützt, so zum Beispiel kirchliche Sommercamps für traumatisierte Jugendliche und Familien. Auch Mess-Stipendien für den Lebensunterhalt von Priestern, Zuschüsse für die Aus- und Weiterbildung von kirchlichen Mitarbeitern oder seelsorgerische Angebote über die Medien hat „Kirche in Not“ finanziert.

 

Die größte geistliche Aktion war die ökumenische Gebetskampagne „Tröstet mein Volk“ mit speziellen Gottesdiensten für Menschen in Trauer. Zu diesem Anlass hatte Papst Franziskus im Sommer 2019 die Ikone „Unsere Liebe Frau von den Schmerzen, Trösterin der Syrer“ gesegnet. Diese zog anschließend durch 34 syrische Diözesen. Papst Franziskus hatte die Aktion von „Kirche in Not“ beim sonntäglichen Angelus auf dem Petersplatz gewürdigt und zum Gebet für Syrien aufgerufen.

 

Suppenküche einer Kirchengemeinde in Syrien. © Kirche in Not
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Verwendungszweck: Syrien

Das weltweite päpstliche Hilfswerk KIRCHE IN NOT (ACN) zieht eine ermutigende Bilanz der Papstreise in den Irak, die an diesem Montag zu Ende gegangen ist. „Schon jetzt hat der Besuch von Papst Franziskus den Blick der irakischen Gesellschaft auf die Christen verändert. Sie haben verstanden, dass Christen keine Gäste aus dem Westen sind, sondern wirklich Teil des Landes und der Region. Wir hoffen, dass diese neue Aufmerksamkeit erhalten bleibt“, erklärte die Projektdirektorin von KIRCHE IN NOT, Regina Lynch. Sie gehörte als Vertreterin des Ostkirchennetzwerks ROACO zur Reisedelegation von Papst Franziskus.

 

Lynch erhofft sich nun weitere Schritte hin zu einer Verbesserung der Lage der christlichen Minderheit. „Besonders das Treffen mit dem Oberhaupt der Schiiten im Irak, Großajatollah Ali al-Sistani, war wichtig. Immerhin hat er Einfluss auf große Teile der Schiiten im Land. Das waren sehr positive Schritte.“

Regina Lynch, Projektdirektorin von KIRCHE IN NOT (ACN), vor der Al-Tahira-Kirche in Karakosch. © KIRCHE IN NOT

„Papst sah lebendige Steine der Kirche im Irak“

Emotionaler Höhepunkt der Reise war Lynch zufolge der Besuch des Papstes in der mehrheitlich von Christen bewohnten Stadt Karakosch in der Ninive-Ebene: „Tausende Menschen säumten die Straßen. Das waren die Menschen, die ihre Häuser wegen der Eroberungen des ,Islamischen Staates’ verlassen mussten und wiedergekommen sind. Der Papst sah hier wirklich die lebendigen Steine der Kirche im Irak“. Besonders bewegt habe sie das Zeugnis einer Christin, deren Sohn vom IS getötet worden war. „Sie hat den Tätern vergeben. Ihr Glaube bewog sie dazu. Das war ein sehr starker Moment.“

Der Papst habe in verschiedenen Ansprachen deutlich gemacht, dass genau darin die Berufung der Christen im Irak liege. „Sie sollen Werkzeuge des Friedens und der Versöhnung sein. Das ist ein Zeugnis, das sie für die ganze Gesellschaft des Landes geben“, betonte Lynch.

Papst Franziskus bei der Begegnung mit den irakischen Bischöfen in der Kathedrale von Bagdad. © KIRCHE IN NOT

Motivation für mehr internationale Hilfe?

Nun komme es darauf an, die Aufmerksamkeit zu nutzen, die der Irak durch den Papstbesuch erfahren hat. „Das weltweite Interesse an dem Besuch war riesig. Ich hoffe, das motiviert die internationale Gemeinschaft, im Irak zu helfen. Denn die Herausforderungen bleiben groß“, sagte Lynch. So herrsche unter vielen Christen die Furcht, dass der IS zurückkehre. „Die irakische Regierung muss endlich effektiv für Sicherheit sorgen. Sie muss eine schlagkräftige Polizei anstelle der Milizen setzen. Außerdem brauchen die Christen, die in ihre Heimatorte zurückgekehrt sind, wirtschaftliche Perspektiven.“

Lynch hofft, dass die schlimmste Phase der Abwanderung von Christen aus dem Irak vorbei ist. „Ich habe mit dem syrisch-katholischen Erzbischof von Erbil, Nizar Semaan, gesprochen. Wenigstens für den Bereich der autonomen Region Kurdistan ist er zuversichtlich, dass die Christen bleiben. In jedem Fall hat der Besuch des Papstes sie dazu ermutigt.“

Ein Mädchen aus Karakosch in traditioneller Tracht erwartet den Papst. © KIRCHE IN NOT

In Grußwort an den Papst KIRCHE IN NOT ausdrücklich gedankt

KIRCHE IN NOT werde die Unterstützung für die bedrängten Christen des Irak fortsetzen, versicherte Lynch: „Wir arbeiten derzeit vor allem am Wiederaufbau der vom IS zerstörten Kirchen und kirchlichen Einrichtungen. Es war deshalb eine große Freude, als das Oberhaupt der syrisch-katholischen Kirche, Patriarch Ignatius Joseph III. Younan, in einem Grußwort an den Papst KIRCHE IN NOT ausdrücklich dankte für die Hilfe beim Wiederaufbau“, sagte Lynch.

Darüber hinaus habe KIRCHE IN NOT kürzlich ein Stipendienprogramm für Studenten der Katholischen Universität von Erbil gestartet, um jungen Menschen eine gute Ausbildung zu ermöglichen. „Besonders aber kommt es darauf an, den Glauben der Menschen zu stärken. Deshalb unterstützen wir die pastorale Arbeit der Kirche, besonders mit Jugendlichen und Familien. Wir haben bei der Papstreise gesehen, wie jung diese Kirche ist“, erklärte Lynch.

Sie kehre selbst bestärkt aus dem Irak zurück. „Der Glaube der Menschen dort hat mich sehr bewegt. Eine Frau sagte: ,Wir waren im Angesicht des IS bereit, für unseren Glauben zu sterben.’ Für uns im Westen haben die Christen im Irak eine doppelte Botschaft: Seien wir selbstbewusst und verstecken wir unseren Glauben nicht.“

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Regina Lynch (KIRCHE IN NOT) grüßt aus dem Papst-Flugzeug vor dem Flug in den Irak (Englisch)

Weitere Informationen

Papst Franziskus will von 5. bis 8. März den Irak besuchen. Auch von Corona oder der prekären Sicherheitslage möchte er sich nicht abhalten lassen. Der Besuch wurde sowohl vom Vatikan als auch von der irakischen Regierung bestätigt. Der Pontifex will die Christen im Irak stärken, die in den vergangenen Jahren unermesslich gelitten und doch die Hoffnung nie aufgegeben haben.

 

Auf dem Reiseplan des Papstes steht auch Karakosch – von den Christen auf Aramäisch Baghdeda genannt. Die Stadt liegt in der Ninive-Ebene im Norden des Irak, etwa eine halbe Autostunde südöstlich von Mossul. Über Jahrhunderte war Karakosch die größte christliche Stadt des Landes. Bis im August 2014 die Milizen des „Islamischen Staates“ (IS) kamen.

Zerstörtes Haus in Karakosch nach der Befreiung vom IS im Jahr 2016. © KIRCHE IN NOT

Hass und Zerstörung

Die Christen flüchteten innerhalb weniger Stunden aus Karakosch, um ihr Leben zu retten. Sie mussten alles zurücklassen, was sie besaßen. So ging es mehr als 100 000 Personen aus der Ninive-Ebene – das „christliche Herz“ des Irak hatte aufgehört zu schlagen. „Es wird im Irak kein Christentum mehr geben“, schmierten die Terroristen an die Kirchenwände.

Erst drei Jahre später, 2017, als der IS militärisch besiegt war, wagten einige die Rückkehr. Doch ihr Zuhause gab es nicht mehr. Mehr als ein Drittel der Häuser und Kirchen in Karakosch waren zerstört – verbrannt, zerbombt geplündert.

Christen aus Karakosch ziehen in einer Prozession wieder in ihre Stadt ein. © KIRCHE IN NOT

Neubeginn und anhaltende Ängste

Seither bauen die Christen in der Ninive-Ebene ihre Städte unermüdlich wieder auf. Die Spender des weltweiten päpstlichen Hilfswerks KIRCHE IN NOT haben maßgeblich die Instandsetzung zahlreicher Wohnhäuser ermöglicht. Das Hilfswerk hat zusammen mit den lokalen Kirchen ein Wiederaufbaukomitee für die Ninive-Ebene ins Leben gerufen. Mit Erfolg: Gut die Hälfte der vertriebenen christlichen Familien ist wieder zurück in ihrer alten Heimat. Aktuell sind Kirchen, Gemeindezentren, kirchliche Kindergärten und Schulen mit dem Wiederaufbau dran. Sie bedeuten den Menschen so viel – denn dort findet das Leben statt, dort finden sie Gemeinschaft, Zusammenhalt und neuen Mut.

Doch die Ungewissheit bleibt: Die überwiegende Mehrheit der Rückkehrer fühlt sich unsicher. Und diejenigen, die ins Ausland gegangen sind, kommen in den seltensten Fällen zurück. Lebten vor 2003 noch rund 1,5 Millionen Christen im Irak, so sind es aktuell etwa 250 000, wie Bischöfe aus der Region KIRCHE IN NOT bestätigten.

Der Priester Ammar Yako in der ausgebrannten Al-Tahira-Kirche in Karakosch. © KIRCHE IN NOT
Allen Gefahren zum Trotz: Das christliche Herz des Irak schlägt wieder. Sichtbar wird das auch in Karakoschs Al-Tahira-Kirche, der Papst Franziskus am 7. März einen Besuch abstatten wird. Auch sie wurde während des IS-Terrorregimes fast vollständig zerstört. Nun ist die Marienbasilika dank der Wohltäter vonKIRCHE IN NOT fast vollständig wiederinstandgesetzt. „Der IS hat alle Kreuze zerstört und gestohlen. Der Außenbereich der Kirche wurde als Trainingsgelände für neue Terrorkämpfer genutzt“, berichtet der Priester Ammar Yako gegenüber KIRCHE IN NOT.
Die Al-Tahira-Kirche in Karakosch nach dem Wiederaufbau. © KIRCHE IN NOT
Papst besucht „auferstandene“ Kirche

Yako leitet den Wiederaufbau der Al-Tahira-Kirche – eine Herzensangelegenheit nicht nur für ihn, sondern auch für seine Mitbürger in Karakosch: „Alle Menschen hier empfinden die Kirche als ihr Zuhause, als Teil ihrer Geschichte.“ Dass jetzt Papst Franziskus die „auferstandene“ Kirche mit seinem Besuch ehrt, ist darum eine besondere Ehre für die Gemeinde, erklärt Yako mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen: „Der Papst kann uns helfen, unseren Glauben in diesen Zeiten zu leben, und wir können ihm zeigen, wie unser Leben als Christen hier aussieht. Als Minderheit haben wir nicht viele Möglichkeiten. Wir müssen uns bemühen, Arbeit für unsere Leute zu finden. Das größte Problem ist jedoch die Auswanderung.“

Iraks Christen schätzen den bevorstehenden Papstbesuch auch deshalb, weil er die Augen der Weltöffentlichkeit auf ihr Schicksal lenkt, ihren Mut und Aufbauwillen, aber auch ihre anhaltende Not: „In der gegenwärtigen Situation brauchen wir immer noch die Hilfe von Organisationen für die vielen Bedürfnisse der Gemeinde in Karakosch“, appelliert Pfarrer Yako. „Bitte helfen Sie uns weiter und geben Sie unserer Gemeinde Hoffnung, dass wir hier weiterhin leben können.“

 

Christen im Nordirak: Zwischen Hoffen und Bangen

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Der gelbe Haftzettel klebt noch auf dem Buch, das er zu Beginn seiner Krankheit im Frühjahr 2020 einem Kollegen auf den Tisch gelegt hat: „Vielleicht von Interesse. Mit liebem Gruß Berthold“. Die Seiten durchgeackert, mit verschiedenen Farben markiert, mit Notizen versehen. Titel des Buches: „Verfolgte Christen. Einsatz für die Religionsfreiheit“.

 

Besser lässt sich nicht zusammenfassen, wie Berthold Pelster war und was er für KIRCHE IN NOT Deutschland war: Strukturiert, penibel genau – und herzlich. Der Einsatz für verfolgte Christen und Religionsfreiheit war SEIN Thema. 20 Jahre lang hat er für KIRCHE IN NOT gearbeitet und – es ist nicht übertrieben, das zu sagen – gelebt.

Berthold Pelster mit seinem Buch „Christen in großer Bedrängnis“.

Sein Beruf war Berufung

Berthold hat seinen Weg zu KIRCHE IN NOT selber als Berufungsweg beschrieben: Der studierte Volkswirt aus Coesfeld im Münsterland hatte einige Jahre in der Welt der Banken verbracht, auch in leitender Position. Doch Zahlen, Bilanzen und Statistiken füllten sein Leben auf Dauer nicht.

Berthold suchte zeitlebens mehr: Er wollte in einem gut-bildungsbürgerlichen Sinne verstehen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, wofür es sich zu leben, woran es zu glauben, worauf es sich zu hoffen lohnt. Antworten, die er mehr und mehr im katholischen Glauben fand.

Und bei KIRCHE IN NOT: Als die Leitung des damaligen Regionalbüros in Münster frei wurde, bewarb er sich erfolgreich auf die Stelle. Das war zur Jahrtausendwende, das auch zu einer Art inneren Lebenswende für ihn werden sollte.

Berthold Pelster im Europaparlament 2012.
Fast zehn Jahre war er in Münster Ein-Mann-Büro und „Selfmade-Bettler“ von KIRCHE IN NOT. Neben der Kontaktpflege zu den Wohltätern im norddeutschen Raum hat Berthold in dieser Zeit zahlreiche Bücher und Schriften verfasst.

Das entsprach seinem Wesen: Berthold war ein kommunikativer Mensch mit engelsgleicher Geduld.

Am Schreibtisch aber konnte er sich regelrecht „eingraben“ in Themen und Bücher. Da war ihm auch kein theologisches oder wissenschaftliches Werk zu schwer. Dass die Beschäftigung mit religiösen Themen für ihn nicht nur Kopfsache war, das kann jeder bezeugen, der ihn in der Hauskapelle von KIRCHE IN NOT beten gesehen hat.

Im Gespräch mit Gästen aus der Weltkirche.

Gefügt und Glück gefunden

Berthold war es immer wichtig – da war er ganz Volkswirt und Banker –, dass Fakten und Zusammenhänge detailgetrau wiedergegeben werden. Er hatte immer viele Fragen, und war sehr enttäuscht, wenn diese nur oberflächlich oder gar nicht beantwortet wurden.

2019 mit Hermann Gröhe MdB, Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften der CDU/CSU-Fraktion.
Hunderttausende Fragen hat er auch gestellt als Moderator der Sendereihen „Weitblick“ und „Spirit“ im Rahmen der Fernseharbeit von KIRCHE IN NOT. Dazu musste er 2009 von Münster nach München übersiedeln, nachdem das Regionalbüro aufgelöst worden war. Er freute sich auf den Neuanfang. Weniger leicht fiel ihm dagegen die Herausforderung, regelmäßig vor der Kamera und im Scheinwerferlicht zu stehen.

Aber Berthold fügte sich, und fand auch in München seine Berufung – beruflich wie privat: Hier lernte er seine Frau Renate kennen und lieben. Sie war ihm Seelengefährtin und Stütze, wie die Monate der schweren Krankheit einmal mehr gezeigt haben.

Mit der Sendung „Weitblick“ zu weltkirchlichen und „Spirit“ zu geistlichen Themen waren auch Bertholds beide große Leidenschaften wieder vereint. Er war eine verlässliche und unerschöpfliche Quelle, was die Situation verfolgter Christen in zahlreichen Ländern der Welt angeht. Sein Wissen floss auch in die Studie „Christen in großer Bedrängnis“ ein, die die Situation verfolgter Christen in Brennpunktländern schilderte und die er fünfmal in völliger Allein- und Kleinarbeit erstellt hat. Auch auf Ebene von KIRCHE IN NOT (ACN) International hat er zuletzt im Herausgeberkomitee mitgearbeitet. Wegen seiner hohen Expertise zum Thema Religionsfreiheit war er auch immer wieder als Interviewpartner gefragt, vor allem aber als Vortragsredner, was ihn zu Pfarreien, Gebetskreisen und ökumenischen Gruppen in ganz Deutschland führte.Berthold war über Jahre eines der bekanntesten Gesichter von KIRCHE IN NOT Deutschland. Viele Wohltäter schätzten seine ausgeglichene und freundliche Art. Er freute sich und es machte ihn stolz – auch wenn er das wahrscheinlich nicht zugegeben hätte –, wenn er bei Veranstaltungen oder auf Infoständen erkannt und angesprochen wurde: „Sie kenne ich aus dem Fernsehen!“ „Sie reden immer so angenehm!“

Im Gespräch auf dem Katholikentag Leipzig 2017.

Bereit und vertrauend im Sterben

Angenehm, auch das ist keine Übertreibung, war auch die Zusammenarbeit mit Berthold. Von Natur aus eher abwartend und abwägend, konnte seine innere Gefühlslage nur erahnen, wer ihn länger kannte. Es ging ihm nicht um die Person, nicht um Alltagskleinklein, es ging um die Sache. Und was diese „Sache“ für ihn bedeutete, brachte er noch in den Monaten seiner Krankheit auf den Punkt: „Ich habe mit dem Herrgott einen Deal. Wenn ich noch eine Million für KIRCHE IN NOT sammeln soll, dann bleibe ich hier. Wenn er es anders bestimmt, bin ich auch bereit.“

Dass diese Bereitschaft angesichts einer aggressiv voranschreitenden Krebserkrankung so plötzlich und so schnell von ihm gefordert sein sollte, hat ihn wohl auch innerlich erschreckt. Aber er ging bis zuletzt bewusst, gottergeben und vertrauend seinen letzten irdischen Weg.

Nun ist er am Tag des heiligen Valentin, dem 14. Februar 2021, auf der anderen Seite angelangt. Viel zu früh, auch wenn sein Sterben Erlösung war. Wir trauern um ihn und vertrauen darauf: Dass er vom Himmel aus das Werk von KIRCHE IN NOT unterstützt. Ruhe in Frieden, Berthold!
In der Ausgabe der ZEIT-Beilage „Christ&Welt“ vom 11.02.2021 ist unter der Überschrift „Gut und Böse“ ein Artikel erschienen, der schwere Vorwürfe gegen den Gründer von KIRCHE IN NOT, Pater Werenfried van Straaten, schildert.

Hier finden Sie eine Stellungnahme des Geschäftsführenden Präsidenten von KIRCHE IN NOT International, Dr. Thomas Heine-Geldern:

Erklärung des Internationalen Hilfswerkes Aid to the Church in Need (ACN) zum Artikeln „Gut und Böse“ in der ZEIT-Beilage „Christ&Welt“ am 10.02.2021

Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten im Zusammenhang mit dem Artikel:

Fragen und Antworten zum Artikel in „Christ und Welt“

Für die deutschsprachige Berichterstattung wenden Sie sich bitte an: presse@kirche-in-not.de, für die internationale Berichterstattung an: press@acn-intl.org.

Das weltweite päpstliche Hilfswerk KIRCHE IN NOT initiiert seit einigen Jahren die Aktion „Red Wednesday“ („Roter Mittwoch“), um auf verfolgte Christen weltweit aufmerksam zu machen. Kennzeichen ist die rote Beleuchtung öffentlicher Gebäude und Kirchen. „In Rio de Janeiro wird die Christusstatue rot erleuchtet, ebenso wichtige Gebäude in Wien, Bratislava, auf den Philippinen, in Prag, London, Basel – und in Neumarkt“, erklärte der Geschäftsführer von KIRCHE IN NOT Deutschland, Florian Ripka, bei einer ökumenischen Andacht in der Münsterkirche St. Johannes der oberpfälzischen Kreisstadt.

 

Ein ökumenisches Bündnis organisiert dort seit Jahren gemeinsame Aktionen, um auf Christenverfolgung hinzuweisen. So wirkten auch beim Gottesdienst in St. Johannes römisch-katholische, evangelisch-lutherische, griechisch-katholische und orthodoxe Christen mit. Die Konfirmanden der evangelischen Gemeinde Neumarkt waren mit roten Kerzen zur Münsterkirche gezogen. Sie hatten sich im Vorfeld mit dem Thema Christenverfolgung beschäftigt und stellen in einer „Sprechmotette“ ihre Eindrücke vor.

Die rot beleuchtete Münsterkirche St. Johannes in Neumarkt i. d. Oberpfalz © KIRCHE IN NOT
„Christliche Antwort“ auf Gewalt geben

In seiner Ansprache unterstrich Florian Ripka anhand aktueller Brennpunkte, dass „Christenverfolgung seit den Tagen Jesu“ stattfindet: In den Ländern der afrikanischen Sahelzone würde das friedliche Zusammenleben von Christen und Muslime durch islamistische Übergriffe aus dem Gleichgewicht gebracht. Auch im asiatischen Raum breite sich der Terror immer weiter aus, doch auch unter autoritären Regimen hätten viele Christen zu leiden. Im Nahen Osten stehe das Christentum infolge von Kriegen, anhaltender Terrorgefahr und wirtschaftlicher Misere sogar vor dem Aus.

 

Auch in Europa gäbe es beunruhigende Tendenzen, sagte Ripka: „Es ist beschämend und schockierend, dass der Vandalismus auf Gotteshäuser zunimmt. Es ist unverantwortlich wenn unter einer falsch verstandenen Meinungsfreiheit Symbole des Glaubens in den Schmutz gezogen werden.“ Es gelte auf solche Entwicklungen eine „christliche Antwort“ zu geben: „Und die kann nicht in Aggressionen und dem Aufhetzen von religiösen Gruppen bestehen“, machte Ripka deutlich.

Florian Ripka, Geschäftsführer von „Kirche in Not“ Deutschland, bei seiner Ansprache. ©KIRCHE IN NOT

Es war zu viel, dass ein Christ den Mund öffnete“

Auch Kiro Khalil, koptisch-orthodoxer Christ aus Ägypten, hat Hass und Traurigkeit hinter sich gelassen – auch wenn der Weg dahin für ihn sehr schwer war. Er berichtete in der gutbesuchten Münsterkirche von seinen Erlebnissen. Schon in seiner Kindheit in Alexandria habe er Diskriminierung und Ausgrenzung erfahren. „Aber das war alles noch auszuhalten“, sagte Kahlil. Bis am Silvesterabend 2010 für den damals Zwanzigjährigen „das Leben auf den Kopf gestellt wurde“: Als er mit seiner Familie nach dem Gottesdienst die Kirche verließ, detonierte eine Autobombe. „Meine Mama, meine Schwester und meine Tante wurden getötet, eine andere Schwester schwerverletzt“, erzählt er. Heute sei sie an den Rollstuhl gefesselt.

 

Nach dem Attentat und einem ersten Aufenthalt in Deutschland sei er wieder in seine Heimat Ägypten zurückgekehrt, um sich für bedrängte und verfolgte Christen einzusetzen. „Aber es war zu viel, dass ein Christ den Mund öffnete“, sagte Khalil. Nach Morddrohungen kehrte er schließlich Ägypten den Rücken und fand Asyl in Deutschland. Heute habe er Mitleid mit den Attentätern und seinen Verfolgern: „Diese Leute brauchen das Gebet. Ich möchte gar nicht, dass Gott die Verfolgung von uns nimmt. Ich bin überzeugt: Wo es Verfolgung gibt, gibt es Glauben“, stellte Khalil fest.

Der ägyptische Christ Kiro Khalil bei seinem Zeugnis. © KIRCHE IN NOT
Der „Rote Mittwoch“ endete mit Fürbitten für verfolgte Christen und einer Kollekte für Projekte von KIRCHE IN NOT in Ägypten, vor allem in der Kinder- und Jugendarbeit.
Um verfolgten und bedrängten Christen in Ägypten und weltweit beistehen zu können, bittet KIRCHE IN NOT um Spenden – online unter: www.spendenhut.de oder auf folgendes Konto:

 

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Der Machtkampf um die nordäthiopische Provinz Tigray hat sich zu einem blutigen Konflikt ausgeweitet. Die Kämpfe greifen auch auf das Nachbarland Eritrea über, mit dem Äthiopien nach einem Jahrzehnt der kriegerischen Auseinandersetzung Frieden geschlossen hat. Beobachter warnen vor einer neuen humanitären Katastrophe am Horn von Afrika. Das UN-Flüchtlingshilfswerk sprach von allein 11.000 Menschen, die wegen der Kämpfe aus Äthiopien in den benachbarten Sudan geflohen seien.

 

Über die Hintergründe des Konflikts und Chancen für eine friedliche Entwicklung sprach Tobias Lehner vom weltweiten katholischen Hilfswerk KIRCHE IN NOT mit Prinz Dr. Asfa-Wossen Asserate. Er ist ein Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie und kam 1974 als politischer Flüchtling nach Deutschland. Asserate ist Unternehmensberater für den Mittleren Osten und Afrika, Bestsellerautor und Politischer Analyst.

Prinz Dr. Asfa-Wossen Asserate. © Asfa-Wossen Asserate
Prinz Asserate, im Schatten der US-Wahl hat sich der seit langem schwelende ethnische Konflikt zu einer militärischen Auseinandersetzung ausgeweitet. Wie konnte es soweit kommen?
Schuld an dieser Auseinandersetzung sind die Milizen der TPLF („Tigray People’s Liberation Front“, Volksbefreiungsfront von Tigray; Anm. d. Red.), die Anfang November eine Militärbasis des äthiopischen Nordkommandos in Tigray nachts überfallen und zahlreiche Soldaten getötet haben. Darauf musste Äthiopien reagieren. Das ist der Ursprung dieses Krieges.

 

Und was sind die tieferliegenden Gründe?
Ich habe seit über 30 Jahren vor diesem Moment gewarnt: Eine Ethnisierung der Politik wird zu ethnischen Säuberungen führen. Das erleben wir im Moment. Äthiopien ist der einzige Staat auf der Welt, der sich eine „ethnische Föderation“ nennt.

Verantwortlich für diese aktuelle Katastrophe ist die Verfassung, die den Äthiopiern von der TPLF Anfang der 90er Jahre aufoktroyiert worden ist. Diese Apartheid-Verfassung muss dringend durch eine neue ersetzt werden, die aus Äthiopien endlich das macht, was die Mehrheit der Äthiopier seit mindestens fünfzig Jahren will: einen demokratischen föderalistischen Staat.

Mädchen in einem nordäthiopischen Flüchtlingslager. ©KIRCHE IN NOT/Madalena Wolnik
Es geht also in diesem Konflikt nicht um das Volk der Tigray insgesamt, sondern vor allem um die TPLF?
Es geht einzig und allein um die TPLF, eine marxistische Gruppe, der vor dem Fall des Eisernen Vorhangs das Regime in Albanien als Vorbild galt. Sie haben sich in ihren Kernansichten nicht verändert.
Die TPLF hat 27 Jahre lang Äthiopien mit eiserner Faust und nach rassistischen Maßstäben geführt. Vor zwei Jahren hat sie ihre Macht in der Hauptstadt verloren. Die Anhänger haben sich dann auf ihre Heimatregion Tigray zurückgezogen, wo sie alles unterstützt und gefördert haben, was gegen den äthiopischen Staat gerichtet war – auch Morde an Christen im Süden des Landes.

 

Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat. Die Tigray sind eine von ca. 120 Ethnien. Droht eine Sogwirkung, die ganz Äthiopien zu destabilisieren droht – und mit ihm die ganze Region?
Das wird in westlichen Medien so dargestellt. Ich sehe das anders. Wenn die TPLF und ihre Verbündeten keinen Einfluss mehr haben, dann ist der größte Feind der äthiopischen Union besiegt. Wir Äthiopier können dann in friedlicher Koexistenz miteinander leben, wie wir das seit Jahrtausenden tun.

Blick auf eine Kirche in der Tigray-Region. © KIRCHE IN NOT/Magdalena Wolnik
Handelt es sich bei diesem Konflikt um ethnische Auseinandersetzungen oder hat er auch eine religiöse Komponente?
Die aktuellen Kämpfe haben keine religiöse Komponente. Tigray ist die christlichste aller äthiopischen Provinzen. Vor allem Aksum (die Hauptstadt des aksumitischen Reiches, aus dem später Äthiopien hervorging, Anm. d. Red.) ist die Basis der äthiopischen Kultur und seiner gesamten Zivilisation. Die erste Kirche wie auch die erste Moschee des Landes sind in Aksum gebaut worden.

 

Sie hatten vorhin dennoch christenfeindliche Übergriffe angesprochen, auch mit Beteiligung der jetzigen Kriegspartei TPLF. Worum handelt es sich da?
Das geschah im Sommer auf dem Gebiet der Oromo (der größten und mehrheitlich muslimischen Ethnie Ähtiopiens, Anm. d. Red.). Die „Islamic Front for the Liberation of Oromia“ (Islamische Front zur Befreiung von Oromo) hat zusammen mit der OLF-Shene (Oromo Liberation Front, Oromo-Befreiungsfront; Anm. d. Red.) gezielt äthiopisch-orthodoxe Christen ausgewählt und regelrecht abgeschlachtet.

Wir wissen heute, dass diese beiden Gruppen finanziell, politisch und mit Waffen von der TPLF unterstützt worden sind. Die TPLF hat weder für die äthiopische Kultur noch für die Religion etwas übrig. Das sind für sie alles reaktionäre Erscheinungen.

Gottesdienst unter freiem Himmel in Äthiopien. © KIRCHE IN NOT
Ministerpräsident Abiy Ahmend, der selber dem Volk der Oromo angehört, galt als großer Hoffnungsträger und hat für den Friedensschluss mit Eritrea den Friedensnobelpreis bekommen. Ist er gescheitert im Umgang mit den ethnischen Spannungen in seinem Land?
Nein. Abiy Ahmed tut das, was notwendig ist: Die Integrität und Souveränität Äthiopiens schützen. Das ist letztendlich auch seine Aufgabe. Es ist das Recht eines jeden Staates, seine territoriale Integrität und nationale Souveränität mit allen Mitteln zu gewährleisten.

 

Der Konflikt greift auch auf Eritrea über. Von Tigray aus wurden auch Raketen auf das Nachbarland gefeuert, wie die TPLF bestätigte. Was bedeutet das für den Friedensprozess zwischen Ähtiopien und Eritrea?
Äthiopien und Eritrea kämpfen gemeinsam gegen die TPLF. Wer hätte das gedacht? Die alten Probleme zwischen Äthiopien und Eritrea sind ausgeräumt. Dieser Friede hält.

Die Mehrheit der Äthiopier sind Christen, das Land zählt zu den ältesten christlichen Nationen der Welt. Welche Rolle kann oder sollte die Kirche in diesen Konflikt übernehmen?
Als im Sommer Tausende von äthiopischen Christen ermordet wurden, haben vor allem die orthodoxen Kirchen Europas das entschieden verurteilt. Die westlichen Kirchen waren dagegen sehr zurückhaltend. Ich hoffe sehr, dass sich die westlichen Kirchenführer nicht so verhalten wie die weltlichen Regierungen, die eine sogenannte „Realpolitik“ gegenüber Afrika betreiben und auch vor autoritären Regimen in die Knie gehen. Das darf für christliche Kirchen nicht der Weg sein. Sie müssen stattdessen überall dort, wo die Gesetze Christi nicht befolgt werden, aufschreien und die Situation kritisieren – und helfen, wo immer es möglich ist.

Äthiopien: Dank KIRCHE IN NOT entstand eine Kapelle für das Volk der Gumus

 

KIRCHE IN NOT unterstützt seit vielen Jahren zahlreiche Projekte, vor allem für die kleine katholische Minderheit in Äthiopien. Schwerpunkte sind der Bau und die Renovierung von Kirchen, die Aus- und Fortbildung von Priestern und Ordensleuten, die Schulung von Katecheten und pastorale Programme in den Gemeinden, besonders in der Jugendseelsorge. Um weiterhin helfen zu können, bittet KIRCHE IN NOT um Spenden – entweder online unter: www.spendenhut.de oder auf folgendes Konto:

 

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