Ein Mitte Mai veröffentlichter Bericht der Internationalen Organisation für Migration zeichnet ein dramatisches Bild: Zwischen 2015 und 2017 ist die Zahl der Auswanderer aus Venezuela in die anderen lateinamerikanischen Staaten und in die Karibik von 89 000 auf 900 000 Menschen gestiegen – ein Zuwachs von mehr als 900 Prozent.
Die vorgezogene Präsidentenwahl Ende Mai, aus der der umstrittene Staatschef Nicolás Maduro erneut als Sieger hervorging, war für viele Venezolaner ein weiterer Schub in Richtung Auswanderung.
Der Strom der Grenzgänger in San Antonio reißt seither nicht ab – obwohl auf der anderen Seite, in Kolumbien, auch kein Leben in Wohlstand auf sie wartet. „Aber was bleibt uns anderes übrig?“, fragt Fernando. Er und seine Familie sind aus der Hauptstadt Caracas gekommen. Dass es Probleme mit den Papieren geben würden, haben sie nicht geahnt. Auch versteht keiner so recht, warum sie nicht ausreisen dürfen.
Für eine Bleibe während ihres unfreiwilligen Stopps fehlt das Geld. So kampieren sie im Freien, verdienen sich das Lebensnotwendigste mit Schwarzarbeit und suchen nach einer Lösung, wie sie ihrer Reise fortsetzen können.
Für Bischof Mario Moronta Rodriguez aus San Cristóbal de Venezuela spiegelt die Lage an der Grenze „das Bild der Hilflosigkeit so vieler Venezolaner, die nicht über das Lebensnotwendige wie Lebens- und Arzneimittel oder ähnliches verfügen“.
Die Kirche suche fieberhaft nach Möglichkeiten, „um für die Migranten alles zu tun, was wir nur können.“
Nur wenige Meter vom Grenzübergang entfernt liegt die Basilika San Antonio. Pfarrer Reinaldo Contreras organisiert mit Ehrenamtlichen Armenspeisungen.
Doch er stößt an Grenzen: „Die Lebensmittel sind knapp und sehr teuer. Außerdem fehlt es uns an Räumen, Personal und den notwendigen Einrichtungen, um die Migranten umfassender betreuen zu können.“
Die Gemeinde lotet zurzeit die Möglichkeit aus, ein „Haus der Migranten“ einzurichten. Sie hat KIRCHE IN NOT dafür um Hilfe gebeten.
Schon in Betrieb ist das „Haus des Übergangs Göttliche Barmherzigkeit“ direkt am Grenzübergang auf der kolumbianischen Seite. Dort erhalten die Auswanderer medizinische Behandlung und Essen – täglich werden über 1000 Rationen ausgegeben. Darüber hinaus stehen Seelsorger für Gespräche und Rat zur Verfügung.
Das „Übergangshaus“ wird für viele Menschen zur Dauerstation. Denn nicht alle verlassen dauerhaft ihre Heimat Venezuela. Viele gehen nur nach Kolumbien, um Lebensmittel oder Medikamente für ihre Familien zu besorgen und kommen wieder zurück. Andere bleiben im Grenzbereich und suchen dort nach Arbeitsmöglichkeiten.
So wie der 18-jährige Andreas Vargas. Eigentlich wollte er nach Chile. Doch sein Geld für die weite Reise reichte hinten und vorne nicht. So blieb er.
„Hier verdiene ich ein bisschen Geld, indem ich Dienste für Reisende übernehme. So kann ich wenigstens etwas zu essen kaufen. Manchmal reicht es sogar für eine Übernachtung.“ In den meisten Nächten aber hat er keine Unterkunft. „Aber was ist schon ein Lager unter freiem Himmel, verglichen mit dem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben“, sagt Carlos Fonseca.
Er kam mit seiner Frau und drei kleinen Töchtern nach zwölf Stunden Busfahrt in San Antonio del Táchira an. Da hatte der Grenzübergang längt geschlossen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten. Und so warten Tausende.
„Wir sind in diesem schmerzlichen Drama an der Grenze präsent“, sagt Bischof Victor Manuel Ochoa aus dem kolumbianischen Bistum Cúcuta, das an Venezuela grenzt. „Wir möchten die Hand sein, die unsere notleidenden venezolanischen Brüder und Schwestern ergreifen können.“
Beim Besuch einer Delegation von KIRCHE IN NOT erinnerte er an den Gründer des Hilfswerks, Pater Werenfried van Straaten.
Dieser hatte 1947 unter Flüchtlingen und Vertriebenen Lebensmittel verteilt. „Wir möchten in seine Fußstapfen treten. Bitte beten Sie für Venezuela und Kolumbien!“
KIRCHE IN NOT ruft zur Solidarität mit der leidenden Bevölkerung Venezuelas auf. Neben der Unterstützung für die karitative Arbeit der Kirche lädt das Hilfswerk dazu ein, eine Messe für das südamerikanische Land feiern zu lassen. Der Betrag für das Mess-Stipendium kommt mittellosen Priestern und ihren Gemeinden zugute.
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