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Zentralafrika: „Das Land steckt in einer politischen Krise”

Zentralafrika: „Das Land steckt in einer politischen Krise”

Bischof Nongo-Aziagba über die Lage in seinem Heimatland

02.09.2019 aktuelles
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz in der Zentralafrikanischen Republik ist der Auffassung entgegengetreten, dass es sich bei dem seit 2012 anhaltenden Bürgerkrieg im Kern um einen Religionskonflikt von Christen und Muslimen handeln.

 

„Das stimmt nicht“, erklärte Bischof Néstor-Désiré Nongo-Aziagba gegenüber KIRCHE IN NOT. Das anhaltende Blutvergießen sei vielmehr die Folge der wirtschaftlichen Ausbeutung und des Konflikts um die Diamant- und Goldvorkommen des Landes.

Aufbahrung von Kriegsopfern in Bangassou/Zentralafrikanische Republik (Foto: Fundación Bangassou).
„Die Religion darf nicht dazu benutzt werden, die Ausbeutung zu vertuschen“, erklärte Nongo-Aziagba. Dies sei „ein Ablenkungsmanöver, das von den wirklichen Problemen wegführt: Armut, Analphabetismus und mangelnde Gerechtigkeit.“

 

Letzteres zeige sich daran, dass die Mitglieder der Rebellengruppen weitgehend straffrei ausgingen, obwohl schlimme Gräueltaten auf ihr Konto gingen. „Die Zentralafrikanische Republik steckt in einer politischen und nicht in einer religiösen Krise“, fügte der Bischof hinzu.

Bischof Néstor-Désiré Nongo-Aziagba.
Den Séléka-Truppen, die sich 2012 gebildet hatten und mittlerweile in verschiedene Gruppen zersplittert sind, gehörten zwar mehrheitlich Muslime an, aber ihr Ziel sei „nicht die Bevölkerung zu bekehren, sondern das Land auszubeuten“, sagte Nongo-Aziagba.

 

„Rebellengruppen geht es um die Ausbeutung des Landes”

Mehr als zwei Drittel der Milizionäre seien Söldner aus dem Tschad, Niger, Kamerun und anderen Staaten. Viele von ihnen seien keine praktizierende Muslime. „Sie verfolgen keine islamistischen Ziele. Ihr Augenmerk gilt dem Mineralienreichtum des Landes.“

Als Reaktion auf die Angriffe der Séléka bildete sich die Gruppe der sogenannten Anti-Balaka, der auch zahlreiche Christen angehören. Diese gäben vor, die Interessen der Christen im Land zu verteidigen, die etwa 75 Prozent der Bevölkerung stellen. „Damit verdrehen sie jedoch die Wahrheit“, erklärte der Bischof.

Nach einem Séléka-Angriff auf eine Krankenstation (Foto: Pater Aurelio Gazzera/KIRCHE IN NOT).
Er wirft mehreren Rebellengruppen vor, von der direkten oder indirekten Unterstützung einiger ausländischer Nationen zu profitieren. Diesen gehe es ausschließlich darum, den Bodenreichtum der Zentralafrikanischen Republik abzuschöpfen. „Die Milizen schaden Christen und Muslimen gleichermaßen“, sagte Nongo-Aziagba.

 

Flüchtlingswelle hält weiter an

Derweil hält die Flüchtlingswelle weiter an: Human Rights Watch zählte für 2018 mehr als 640 000 Binnenflüchtlinge in der Zentralafrikanischen Republik. Die Vereinten Nationenbeziffern die Zahl der Menschen, die ins Ausland geflüchtet sind, mit rund 570 000.

Flüchtlingsunterkunft auf dem Gelände des Priesterseminars des Bistums Bangassou/Zentralafrikanische Republik (Foto: Fundación Bangassou).
Auf die Frage, warum sich weiterhin viele Menschen, darunter auch Kinder und Jugendliche, den Milizen anschließen, nennt der Bischof drei Gründe: steigende Armut, fehlende Bildung und den Willen der Menschen, sich gegen weitere Angriffe zu wappnen.

 

Die Menschen seien frustriert über den zunehmenden Zerfall des Landes. Die Schwäche der Regierung zeige sich laut Nongo-Aziagba unter anderem darin, dass „etwa 80 Prozent des Landes von Rebellengruppen kontrolliert werden und es kein funktionierendes Straßen- oder Transportsystem gibt“.

Gottesdienst in einem Dorf in der Zentralafrikanischen Republik (Foto: KIRCHE IN NOT/Aurelio Gazzera).
Im Nordosten der Zentralafrikanischen Republik orientiere sich die Bevölkerung wirtschaftlich Richtung am Sudan und verwende dessen Währung, im Südosten sind Wirtschaft und Währung der Demokratischen Republik Kongo der Orientierungspunkt. „Wo bleibt die Souveränität unseres Staates?“, fragt der Bischof.

- Bischof Néstor-Désiré Nongo-Aziagba.
Die katholische Kirche in der Zentralafrikanischen Republik sei entschlossen, den christlich-muslimischen Dialog weiter zu fördern. „Es ist entscheidend, dass Christen und Muslime zeigen, dass sie vereint sind“ und sich damit der Gewalt wiedersetzten, die in ihrem Namen ausgeübt werde, zeigt sich Nongo-Aziagba überzeugt.

 

„Als Christ habe ich Hoffnung für die Zukunft“, führte der Bischof aus, „aber ich muss realistisch bleiben: Es ist sehr schwer, die Gewalt der letzten Jahre zu überwinden.“

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