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Libanon: „Ich habe die Hoffnung auf die Politik verloren, aber ich hoffe weiterhin auf die Menschen“

Libanon: „Ich habe die Hoffnung auf die Politik verloren, aber ich hoffe weiterhin auf die Menschen“

KIRCHE IN NOT im Gespräch mit dem jüngstem Bischof der Welt

23.08.2022 aktuelles
„Die Verhältnisse werden morgen besser sein. Aber das wird vom Volk ausgehen, nicht von der Regierung. Wir wollen leben, und wir lieben unser Land.“ Bischof Jules Boutros zeigt sich im Gespräch mit KIRCHE IN NOT hoffnungsvoll, aber realistisch: Von seinen Freunden und Bekannten hätten fast alle den Libanon verlassen. Er aber sei geblieben, ganz bewusst. Jetzt setzt er sich dafür ein, dass junge Christen sich gesellschaftlich und politisch engagieren.

 

Jules Boutros ist mit 39 Jahren aktuell der jüngste Bischof der Weltkirche. Er wurde am 18. Juni zum Kurienbischof des syrisch-katholischen Patriarchats von Antiochia geweiht. Die mit Rom unierte Kirche hat ihren Sitz in Beirut, der Hauptstadt des Libanon.

Ihr Oberhaupt ist Ignatius Joseph III. Younan. Sie ging  aus der syrisch-orthodoxen Kirche hervor und gehört zu den kleinsten christlichen Gemeinden im Nahen Osten, wie Bischof Boutros erklärt: „Hier im Libanon leben ungefähr 16 000 syrisch-katholisch Gläubige von weltweit etwa 140 000.“

Bei der Bischofsweihe von Jules Boutros in Beirut im Juni 2022. Er gehört der syrisch-katholischen Kirche an und war zum Zeitpunkt der Weihe der jüngste Bischof weltweit (Foto: Syrisch-katholisches Patriarchat).
Diese Minderheit habe keine politische oder gesellschaftliche Stimme: „Wir sind nicht im libanesischen Parlament vertreten, und es gibt keine Möglichkeiten für syrisch-katholische Frauen und Männer, Spitzenpositionen zu erreichen.“ Der Bischof gesteht ein, dass dies auch mit einer Grundsatzentscheidung früherer Patriarchen zu tun habe: Sie hätten die Gläubigen ermutigt, sich mehr in Wirtschaft und Handel als im öffentlichen Leben zu engagieren.

 

Bislang keine politische oder gesellschaftliche Stimme

Die syrisch-katholische Kirche setze nun alles daran, dies zu ändern und junge Menschen zu motivieren, öffentliche Verantwortung zu übernehmen. Bei den zurückliegenden Parlamentswahlen im Mai 2022 sei erstmals eine syrisch-katholische Christin gewählt worden.

Dass über ein Vierteljahr nach der Wahl immer noch keine stabile Regierung zustande gekommen sei, bestärkt Bischof Boutros in seinem Frust über die bestehenden Verhältnisse: „Ich habe keine Hoffnung mehr in die Politik, aber ich hoffe weiterhin auf die Menschen.“

Der Libanon ist wirtschaftlich stark geschwächt; viele Menschen sind auf Hilfe angewiesen. Im Süden des Landes, wie zum Beispiel hier in Aaddousiyyeh, versorgt die Kirche besonders bedürftige Menschen mit Lebensmitteln.
Derweil setzt sich der Exodus gerade junger und gut ausgebildeter Christen weiter fort – nicht nur im Libanon, sondern auch in Syrien und im Irak, wo ebenfalls eine größere Zahl syrisch-katholischer Christen lebt. „Unsere jungen Leute finden es schwierig, im Irak zu bleiben, weil sie das Vertrauen in die Regierung verloren und so viel Verfolgung erduldet haben.“

 

Militärdienst in Syrien ist häufiger Auswanderungsgrund

Noch schlimmer sei es in Syrien. Dort sei das größte Problem der lange und gefährliche Militärdienst: „Die syrischen Männer müssen bis zu zehn Jahren dienen. Wenn sie danach lebend zurückkommen, können sie bei null anfangen“, erklärte der Bischof. Darum gebe es in Syrien so wenige junge Männer: „Wenn sie fünf Jahre im Ausland waren und 8000 US-Dollar zahlen, können sie zurückkehren, ohne den Militärdienst ableisten zu müssen. Wir verlieren eine ganze Generation.“

Graffito mit der Aufschrift „Hoffnung“ (Hope) in einer Straße in Beirut.
Dennoch macht der junge Bischof weiter. Er bedankt sich für alle Hilfen, die die syrisch-katholische Kirche erhält und ist überzeugt, dass die Gemeinden im Nahen Osten trotz aller Schwierigkeiten einen „Reichtum“ mit dem Westen teilen können: „Wir können die Reife teilen, die wir im Zusammenleben mit Muslimen und anderen Religionen und im Angesicht von Krieg, Instabilität und Verfolgung gewonnen haben.“
Unterstützen Sie die Arbeit der Kirche im Libanon und ihren Einsatz für notleidende Menschen mit Ihrer Spende – online oder auf folgendes Konto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München

IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05

Verwendungszweck: Libanon

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