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Irak: Christen fordern eine neue Verfassung

Irak: Christen fordern eine neue Verfassung

20 Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins genießen Christen noch keine vollen Bürgerrechte

30.03.2023 aktuelles
Zwei Jahrzehnte nach Beginn des Irakkrieges, der zum Sturz des Regimes von Saddam Hussein führte, sehen sich Christen im Irak noch immer als Bürger zweiter Klasse. Das betonte der syrisch-katholische Erzbischof Nathanael Nizar Wadih Semaan im Gespräch mit dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN): „Wir fordern eine Verfassung, die sich auf Menschlichkeit gründet – nicht auf Religion. Eine Verfassung, die auf einer bestimmten Religion basiert, bedeutet, dass man gemäß dieser Religion behandelt werden kann. Das wollen wir nicht. Wir wollen als irakische Bürger behandelt werden, weil wir Menschen dieses Landes sind.“
Erzbischof Nathanael Nizar Wadih Semaan
Nizar leitet die syrisch-katholische Eparchie Adiabene mit Sitz in Ankawa bei Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan. Der Erzbischof betonte, dass sich die Christen um gute Beziehungen zur Zentralregierung wie zur kurdischen Verwaltung bemühten: „Als Christen verlangen wir nichts Besonderes, wir wollen, dass unsere Menschenwürde genauso akzeptiert wird wie die aller anderen Iraker.“

 

Widersprüchliche Verfassung

 

Wie der von „Kirche in Not“ im Frühjahr 2023 auf Deutsch erschienene Bericht „Verfolgt und vergessen?“ erläutert, ist die aktuell gültige irakische Verfassung von 2005 widersprüchlich. Sie schützt zum einen die religiösen Rechte von Christen und anderen Minderheiten, zum anderem bestimmt sie den „Islam zur Staatsreligion und zu einer Quelle der Gesetzgebung“. Der Übertritt vom Islam zum Christentum ist nach wie vor gesetzlich verboten.

Papst Franziskus bei einem interreligiösen Treffen während seiner Irakreise im März 2021. © KIRCHE IN NOT
Christen fühlen sich nach wie vor in Eigentumsfragen, am Arbeitsplatz und bei öffentlichen Ämtern benachteiligt, wie Projektpartner von „Kirche in Not“ immer wieder betonen. Hinzu kommt die anhaltende Bedrohung durch Schläferzellen des „Islamischen Staates“ (IS), der Beobachtern zufolge insbesondere im ländlichen Irak und in Syrien eine sehr aktive Kraft darstellt.

 

Gleichzeitig hatte die irakische Regierung Schritte auf die Christen und anderen religiösen Minderheiten zugemacht. So ist zum Beispiel Weihnachten seit 2020 im Irak ein nationaler Feiertag. Politiker betonten immer wieder, dass die Christen wichtiger Bestandteil der irakischen Gesellschaft seien.

 

Folgen des Papstbesuchs noch immer spürbar

 

Große Bedeutung kam in diesem Zusammenhang auch dem Irak-Besuch von Papst Franziskus im März 2021 zu, betonte Erzbischof Nizar: „Er hat Hoffnung in unser Herz gepflanzt. Er hat uns das Gefühl gegeben, dass die katholische Kirche uns nicht vergessen hat.“ Die Auswirkungen des Besuchs seien noch immer spürbar.

Irakische Christen beim Gebet.
Die Zahl der Christen im Irak liegt Schätzungen von „Kirche in Not“ zufolge heute bei 150 000, im Jahr 2014 waren es noch etwa doppelt so viele. Damals begannen die Eroberungen des IS, die zu einem Völkermord an der christlichen Minderheit führte und Zehntausende zur Flucht zwang.

 

„Kirche in Not“ hatte damals die Versorgung der Vertriebenen im kurdischen Teil des Irak unterstützt und nach der Rückeroberung der vom IS besetzten Gebiete ein Aufbauprogramm für die zerstörten christlichen Ortschaften der Ninive-Ebene gestartet, so dass etwa die Hälfte der einstigen Bewohner zurückkehren konnte. „Ohne ,Kirche in Not’ wäre unsere Situation heute eine andere“, betonte Erzbischof Nizar. „Ihre Hilfe hat entscheidend dazu beigetragen, den Christen einen besseren Lebensstandard zu ermöglichen und ihnen zu helfen, dass sie im Irak bleiben können.“

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