Spenden
Syrien: Hauptsache zu Hause

Syrien: Hauptsache zu Hause

17.12.2018 aktuelles
Der Ofen ist ihr ganzer Stolz
Nawal und Remond, ein älteres Geschwisterpaar, und ihr Leben in Homs (Syrien). Remond Ziade war 72 Jahre alt, als der Krieg 2011 nach Homs kam. Die syrische Stadt stand von Anfang an im Zentrum der Kämpfe.
„Hauptstadt der Revolution“ wurde Homs einst genannt, weil dort die ersten Straßenproteste im Zuge des Arabischen Frühlings stattfanden. Harte Unterdrückungsmaßnahmen der Regierung und erbitterter Widerstand der Rebellengruppen waren die Folge – mittendrin die Zivilbevölkerung.
Zentrum der Kämpfe waren die Altstadt und das angrenzende Viertel al-Hamidiya, wo besonders viele Christen leben. Remond und seine Schwester Nawal (74) gehören zu ihnen. Als ihre Nachbarn nach und nach flüchteten, blieben sie – zusammen mit einigen wenigen Dutzend meist älterer Menschen. Die Einschläge der Granaten kamen immer näher.
Maryam, Nawal und Remond aus Homs.
Nawal mit Heizölkanistern in der Küche.
Hoffnung in Homs: Der Wiederaufbau kommt langsam voran (Foto: Ismael Martínez Sánchez/KIRCHE IN NOT).
Zerstörte Häuser in Homs.
Weihnachtsbaum in Homs.
„Ein Wunder, dass wir noch leben”

Remond erzählt: „Eines Nachts wurden meine Schwester und ich vom Einschlag einer Mörsergranate aus dem Schlaf gerissen. Eine Zimmerdecke unserer Wohnung stürzte ein. Es ist ein Wunder, dass wir lebend davongekommen sind.“ Remond hat große Schwierigkeiten, die Wörter aneinanderzureihen. Die Folgen einer psychischen Erkrankung haben seine Sprech- und Bewegungsfähigkeit eingeschränkt – und die traumatischen Kriegsereignisse haben es noch schlimmer gemacht.

Nach dem nächtlichen Bombardement mussten auch die Geschwister ihre Habseligkeiten zusammenpacken und flüchten. Ein Jahr lang lebten sie in einer Notunterkunft außerhalb der Stadt.

„Unsere Wohnung war kaum bewohnbar”

Als sich 2014 die Kämpfe um Homs in ihrem Viertel nachgelassen hatten, hielt sie nichts mehr: „Wir kamen so schnell wie möglich zurück. Unsere Wohnung war kaum bewohnbar – aber es ist immerhin unser Zuhause“, sagt Nawal. Ein wenig Stolz schwingt dabei mit, denn „immerhin konnten wir Geschwister immer zusammenbleiben“. So wie das ganze Leben lang – keiner der beiden hat geheiratet.

So hausen sie nun seit vier Jahren in ihrer alten Wohnung, die zwar notdürftig geflickt, aber alles andere als wohnlich ist. Ganzer Stolz der Geschwister und Lebensmittelpunkt ist der Ofen mit dem langen Ofenrohr, der direkt durch die Zimmerdecke nach draußen führt. Der Ofen wird mit Heizöl betrieben, und das ist das Problem: Brennstoff ist knapp und sehr teuer. Der Heizkostenzuschuss der syrisch-katholischen Gemeinde kommt da gerade recht.

Das Geld dafür stammt von KIRCHE IN NOT, auch für die Lebensmittelpakete und die Medikamente, die Remond dringend braucht. „Diese Hilfen geben uns Kraft, weiter hierzublieben“, sagt seine Schwester Nawal.

Nawal und Maryam wärmen sich am Ofen.
„Ich gehe jeden Tag in die heilige Messe”

Sie erzählt davon, dass Religion und das Engagement in der Gemeinde seit jeher eine große Rolle für die Familie spielen. „Ich gehe jeden Tag in die heilige Messe. Wir sind ,Kinder der Kirche῾. Mein Vater und mein Onkel arbeiteten für den Erzbischof von Homs.“ Sorge macht der älteren Dame jedoch, dass ihre Kräfte nachlassen und sie das Haus nicht mehr so oft zu den kirchlichen Veranstaltungen verlassen könne.

„Ihr Einsatz ist unersetzlich”

Nach dem Tee zeigt Nawal weitere Zimmer ihrer Wohnung. Sie sind durchzogen von tiefen Rissen, verursacht von den Granateneinschlägen. Jetzt kommen neue Hilfen für die Renovierung – auch wieder mit Unterstützung von KIRCHE IN NOT. „Ihr Einsatz ist unersetzlich, nicht nur wegen der finanziellen Hilfe, sondern auch weil Sie immer wieder vor Ort sind und kennenlernen möchten, wie wir leben“, erklärt Nawal.
Es klingelt an der Wohnungstür. Es ist Sara mit ihrer Tochter Maryam, ebenfalls Christen aus der Wohnung über den Ziades. Sie leisten den Geschwistern oft Gesellschaft. „Wir wissen, dass sie viel Zeit allein verbringen. Da kommen wir einfach ab und zu vorbei“, erzählt Sara. Letztlich sei diese Nachbarschaftshilfe auch ein Hauch von Normalität, trotz aller Narben des Krieges. „Wir wollen jetzt wieder die Werte und das Miteinander pflegen, das wird auch vor der Katastrophe des Krieges hatten.“

Von Josué Villalon und Tobias Lehner