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Libanon: Christen und Muslime protestieren gemeinsam

Libanon: Christen und Muslime protestieren gemeinsam

20.01.2020 aktuelles
Der Libanon hat weniger Einwohner als Hessen. Dennoch hat das Land über eine Million Flüchtlinge aufgenommen. Darunter sind viele Menschen aus Syrien und dem Irak, aber auch zahlreiche Palästinenser.

 

Die Bürde für Regierung und Gesellschaft ist hoch. Die politische und wirtschaftliche Krise im Land hat sich verschlimmert. Seit Oktober 2019 kommt es zu Massenprotesten.

Über die aktuelle Lage hat Maria Lozano (KIRCHE IN NOT) mit Issam John Darwish gesprochen. Er ist der melkitisch griechisch-katholische Erzbischof von Zahlé und Furzol. Das Diözesangebiet umfasst die Bekaa-Ebene, wo viele Kriegsflüchtlinge untergekommen sind.

Issam John Darwish, Erzbischof von Zahlé und Furzol.
MARIA LOZANO: Worum geht es bei den Massenprotesten im Libanon?
ERZBISCHOF ISSAM JOHN DARWISH: Die Demonstrationen haben einen rein wirtschaftlichen Hintergrund. Hauptauslöser war der Plan der Regierung, den Bürgern zusätzliche Steuern aufzuerlegen. Die Demonstranten fordern unter anderem eine Regierung aus Spezialisten zur Rettung des Landes, die Offenlegung der Bankkonten von Politikern und die Rückgabe gestohlener Gelder.

 

„Menschen haben jegliches Vertrauen in Politiker verloren”

Aus welchen gesellschaftlichen Gruppen kommen die Demonstranten?
Es protestieren alle: Männer und Frauen, junge und alte Menschen, Christen und Muslime, Studenten und Eltern. Überall im Libanon kommt es zu Demonstrationen, auch in meiner Bischofsstadt Zahlé.

Die Menschen tun, was sie können, um sich Gehör zu verschaffen. Die Politiker versprechen, sie seien bereit, etwas zu verändern. Aber die Menschen haben anscheinend jegliches Vertrauen in sie verloren. Sie fordern ihren Rücktritt.

Flüchtlingskinder in Zahlé.
Glauben Sie, dass die Proteste die verschiedenen Volks- und Religionsgruppen einen können?
Die aktuellen Ereignisse hat es so in der Geschichte des Libanon noch nie gegeben. Christen und Muslime in allen Regionen des Libanons vertreten die gleichen Forderungen.

 

Sie sagen Nein zu zusätzlichen Steuern, verlangen eine Krankenversicherung und eine flächendeckende Stromversorgung, beschweren sich über Korruption und die sehr schlechte wirtschaftliche Situation. Diese Demonstrationen haben keinen politischen Hintergrund. Ihre Forderungen sind lebensnah.

 

„Sehr schlechte wirtschaftliche Situation”

Wie wirken sich die Demonstrationen auf den Alltag aus?
Bislang gab es keine Schwierigkeiten oder Versorgungsengpässe. Sollten die Demonstrationen jedoch länger andauern und es keine Lösung seitens der Regierung geben, könnten größere Probleme auf uns zukommen.

Jeden Morgen werden die meisten Straßen von den Demonstranten blockiert. Darum kommen viele Menschen nicht an ihren Arbeitsplatz.

In einem Flüchtlingslager im Libanon.
Der Libanon verzeichnet seit Jahren weltweit die meisten Flüchtlinge pro Einwohner. Was tut ihre Diözese in diesem Bereich?
Unsere Diözese hat eine führende Rolle bei der Hilfe für die vertriebenen Syrer übernommen. Wir unterstützen insbesondere christliche Flüchtlinge. Die internationale Gemeinschaft ignoriert sie, da sie außerhalb der Flüchtlingslager leben. So werden sie immer vernachlässigt.

 

Die Zahl dieser vertriebenen christlichen Familien beläuft sich auf über 2000, davon befinden sich 800 Familien in unserer Region.

„Die internationale Gemeinschaft ignoriert christliche Flüchtlinge”

Welche Auswirkungen hat die hohe Zahl an Flüchtlingen auf die Lage im Libanon? Hat die aktuelle Krise mit der Flüchtlingskrise zu tun?
Der Libanon ist ein kleines Land mit zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Problemen. Die Anwesenheit der Flüchtlinge bedeutete eine zusätzliche Belastung für die Regierung. Die Arbeitslosenquote ist gestiegen. Die wirtschaftliche Lage ist schlecht.

Die Regierung hat versucht, dies durch zusätzliche Steuern zu lösen. Das war, wie gesagt, der Hauptauslöser der Demonstrationen.

KIRCHE IN NOT unterstützt eine Essensausgabe für bedürftige Menschen in Zahlé.
Die meisten Flüchtlinge im Libanon kommen aus Syrien und dem Irak. Zumindest bis Ende vergangenen Jahres sah es so aus, als würde sich die Lage dort stabilisieren. Sind Flüchtlinge auch wieder in ihre Heimat zurückgekehrt?
Nur eine kleine Minderheit. Die meisten Flüchtlinge wandern auf der Suche nach einer besseren Zukunft nach Europa und Kanada aus. In Zahlé sind viele Menschen fortgegangen, ohne es uns zu sagen. Sie wissen, dass wir gegen die Auswanderung sind und die Menschen ermutigen wollen, in ihrer Heimatregion zu bleiben.

 

Täglich 1000 warme Mahlzeiten an bedürftige Flüchtlinge

KIRCHE IN NOT unterstützt seit Langem die Flüchtlingsarbeit in ihrer Diözese. Können Sie uns Beispiele geben, was diese Hilfe bewirkt?
KIRCHE IN NOT fördert zum Beispiel die Tafel „St. John the Merciful“ (heiliger Johannes der Almosengeber). 1000 Flüchtlinge erhalten dort eine warme Mahlzeit am Tag.

Weitere Hilfen kommen in Form von Lebensmittelpaketen, Hygiene-Sets, Windeln, Heizöl sowie Zuschüssen für Miete, medizinische Versorgung und Schulgeld. Diese Hilfe ist für die Flüchtlinge wichtig, gerade angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage.

Bitte helfen Sie den christlichen Flüchtlingen im Libanon

Um die Flüchtlingsarbeit der Kirche in Libanon weiterhin unterstützen zu können, bittet KIRCHE IN NOT um Spenden – entweder online oder auf folgendes Konto

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München
IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05
Verwendungszweck: Libanon

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